Was ist ein Plot?

Der Plot ist eine Art Routenplaner. Er führt dich vom Anfang zum Ende deiner Geschichte. Wir alle sind durch Bücher, Geschichten und Filmen mit diesen Routen vertraut. Weichen sie grob ab, irritiert uns das.
Es gibt verschiedene Plotmuster. Das fängt beim klassischen 3-Akter an und geht bis zur 15 Beats-Sheet-Methode von Blake Snyder. Je mehr Wegpunkte ein Plot hat, desto schwieriger wird es, sich zu verlaufen. Umgekehrt gilt aber, dass man sich bei einem 3-Akter hervorragend verzetteln kann.

Manche Autoren schreiben ohne Plot

 Entweder weil sie von so einem Plot eingeengt fühlen oder weil sie schon so viele Bücher geschrieben haben, dass sie ihren Weg quasi blind finden. Fakt ist aber, dass das Manuskript irgendwann auf sein Muster überprüft wird. Von den Testlesern, dem Verlag oder später durch die Käufer. Letztere werden es eher unbewusst, aber trotzdem instinktiv merken, wenn die Wegstrecke der Geschichte nicht schlüssig ist.

Eine Ausnahme bildet die Schneeflockenmethode. Sie folgt keinem nachvollziehbaren Muster und verspricht  unendliche Freiheit. Man fängt locker mit drei Sätzen an, in denen man seine Geschichte beschreibt und erweitert diese Sätze dann immer weiter, bis das Manuskript fertig ist. Schreibst du mit der Schneeflockenmethode, hast du nur den Anfang und das Ende der Geschichte im Auge.  Mittendrin kann  alles passieren.

 Ich halte diese Plotmethode deshalb für eine reale Möglichkeit, an einem Manuskript zu verzweifeln. Die Schneeflocke wird sicherer, wenn man sie mit den üblichen Wegstrecken kombiniert. (Dem 3-Akter z.B.) Man befindet sich nicht in freiem Fall, hat aber immer noch genug Platz, um die Arme weit auszubreiten.

Vor dem Plot steht die Idee.

Zäume dazu das Pferd von hinten auf. Ein Beispiel: Deine Protagonistin soll am Ende deiner Geschichte eine selbstbewusste Frau sein, die trotz einer Körperbehinderung erfolgreich ihr Unternehmen leitet.
Dann stell dir das Gegenteil von diesem Ende vor. Eine Frau, die durch einen Unfall im Rollstuhl gelandet ist und nun depressiv in der Rehaklinik hockt. Sie glaubt, ihr Leben sei vorbei, nichts hätte mehr einen Sinn und sowieso könnte man doch besser gleich sterben, dann hätte das Elend ein Ende.
Nun hast du Schweif und Kopf, fehlt noch der lange Rücken. Also der Weg, wie sie sich und wodurch sie sich verändert. Was wirft sie zurück in die Depression, was bringt sie voran? Wer steht ihr zur Seite? Und, ganz wichtig, wer legt ihr die Steine in den Weg und warum? Wieso will jemand verhindern, dass deine Prota glücklich wird? Oder geht es gar nicht um sie selber, sondern ihr Unternehmen? Wird sie gehasst und hat jemand den Unfall absichtlich herbeigeführt?


Wenn du dir einen Fächer ansiehst, erkennst du unten den Punkt, an dem alles zusammenläuft. Dieser Punkt könnte deine Endlage sein. (Die zufriedene Unternehmerin.)
Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, die zu dieser Endlage führen können. Deine Aufgabe ist es, die berührendste, spannendste, inspirierendste Variante zu finden.

Verschiedene Plotmethoden

Der 3-Akter:

Der 3-Akter gewährt dir einerseits die größte Freiheit, andererseits viele Möglichkeiten, dich in deiner Geschichte zu verlaufen. Da ein Abschweifen, hier eine langatmige Stelle, an der du nicht auf den Punkt kommst, dort ein Handlungsstrang, den du nicht bis zum Ende verfolgt hast. Die Möglichkeiten sind enorm und es ist meist eine Qual, so ein Manuskript zu überarbeiten.

Du hast neben Anfang und Ende nur einen Fixpunkt. Die Mitte.

In der Mitte dreht sich deine Geschichte. Deine Protagonistin erfährt vielleicht, dass ihre Sahneschnitte verheiratet ist, der Ermittler merkt, dass er bisher den Falschen verdächtigt hat oder das potenzielle Opfer eines Vampirs findet, dass eine Blutspende doch nicht so übel ist.

 Egal in welchem Genre du schreibst und welches Plotmodel du benutzt, in der Mitte dreht sich deine Geschichte in eine möglichst überraschende Richtung.

Über diese Richtung solltest du dir vor dem Schreiben Gedanken machen, damit du schnurstracks darauf los schreiben kannst. Planst du also 50000 Worte für dein Buch, sollten sich deine Leser bestenfalls  bei ca. 25000 Worten verblüfft die Augen reiben.

Ansonsten gilt die Notwendigkeit der Wandlung. Dein Protagonist darf am Ende der Geschichte nicht mehr der Gleiche sein. Das kann eine innerliche und/oder äußerliche Verwandlung sein. Aus einem reichen Snob wird ein armer Schlucker, aus einem Mauerblümchen ein Social-Media-Star oder aus einem konfliktbehafteten Detektiv ein in sich ruhender Aussteiger. Deine Geschichte hat eine Veränderung bewirkt, dein Protagonist hat um sein Ziel gekämpft, er hat sich von einer neuen Seite kennengelernt und das ist nicht spurlos an ihm vorbei gegangen.

Der 5-Akter:

Der 5-Akt-Aufbau eines Romans ist eine erweiterte Form des 3-Akt-Aufbaus und gliedert die Geschichte in fünf Abschnitte. Die Schrittlänge wird also kürzer und du hast weniger Möglichkeiten, dich zu verirren.

Akt 1: Hier werden die Charaktere eingeführt und das Grundproblem der Geschichte etabliert. Deine Leser erfahren, wer die Protagonisten sind, was ihre Motive und Ziele sind und welche Konflikte vorliegen.

Akt 2: Hier eskaliert der Konflikt und der Protagonist muss sich den Herausforderungen und Hindernissen stellen, die sich ihm in den Weg stellen. Diese Abschnitt sollte einige mehrere Höhepunkte aufweisen, die die Spannung aufbauen und den Leser fesseln.

Akt 3: Und hier haben wir wieder die berühmte Mitte, in der es knallen muss. Hier erreicht die Geschichte ihren Höhepunkt, an dem die Spannung am größten ist und der Protagonist mit dem größten Konflikten und Erkenntnissen konfrontiert wird.

Akt 4: Hier löst sich der Konflikt langsam auf und der Protagonist beginnt, die Folgen seiner Handlungen zu verarbeiten.

Akt 5: Hier werden die Charaktere und die Geschichte aufgelöst und die Leser erfahren, wie alles endet. Die Protagonisten erreichen ihr Ziel oder lernen eine wichtige Lektion, die ihr Leben verändert.

Der 7-Akter:

Der 7-Akter ist etwas raffinierter als seine Brüder. Die Mitte der Geschichte teilt sich. Auf der Spitze der Dramatik gibt es ein Tal, in dem der Protagonist Luft holt, sich seine Wunden leckt, sich Hilfe holt, sich vielleicht fragt, ob sich der Kampf überhaupt lohnt. Bevor es dann wieder losgeht. Die Achterbahn hat also ein Bauteil dazu bekommen.

Akt 1: Alles, wie gehabt. Die Charaktere werden eingeführt und das Grundproblem der Geschichte etabliert. Die Leser erfahren, wer die Protagonisten sind, was ihre Motive und Ziele sind und welche Konflikte vorliegen.

Akt 2: Hier eskaliert der Konflikt und der Protagonist muss sich den Herausforderungen und Hindernissen stellen, die sich ihm in den Weg stellen. Auch dieser Abschnitt enthält wieder mehrere Höhepunkte, die die Spannung aufbauen und den Leser fesseln.

Akt 3: Hier erreicht die Geschichte ihren ersten Höhepunkt, an dem der Protagonist mit einer bedeutenden Herausforderung konfrontiert wird.

Akt 4: Hier löst sich der Konflikt langsam auf und der Protagonist beginnt, die Folgen seiner Handlungen zu verarbeiten. Wir sind gerade in dem Tal.

Akt 5: Hier erreicht die Geschichte ihren zweiten Höhepunkt, an dem die Dinge für den Protagonisten am schlimmsten sind und er einen tiefen Tiefpunkt erreicht.

Akt 6: Hier werden die Charaktere und die Geschichte aufgelöst und die Leser erfahren, wie alles endet. Der Protagonist erreicht sein Ziel oder lernt eine wichtige Lektion, die sein Leben verändert.

Akt 7: Hier schließt die Geschichte ab und zeigt die Folgen der Handlungen und Entscheidungen des Protagonisten.

Die Beat-Sheet-Methode:

Die Beat-Sheet-Methode wurde von dem Drehbuchautor Blake Snyder entwickelt und kann auch auf Romane angewendet werden.

Einführung des Helden: Hier stellt der Autor den Helden vor und legt die Grundlage für die Geschichte.

Durchbruch des Konflikts: Hier wird ein Konflikt eingeführt, der die Handlung antreibt.

Der Funke: Hier erhält der Held eine Möglichkeit oder einen Grund, den Konflikt zu lösen.

Tiefpunkt: Hier erreicht der Held den niedrigsten Punkt in seiner Reise und muss sich entscheiden, ob er weitermachen will oder nicht.

Zweifel: Hier zweifelt der Held an seiner Fähigkeit, den Konflikt zu lösen.

Finale Vorbereitung: Hier bereitet sich der Held auf die finale Konfrontation vor.

Angriff: Hier greift der Held an und versucht, den Konflikt zu lösen.

Schlimmster Fall: Hier erreicht der Held den schlimmsten Fall und muss einen Weg finden, um ihn zu überwinden.

Dunkelster Moment: Hier befindet sich der Held an einem Punkt, an dem es keine Rückkehr mehr gibt.

Aufstieg des Helden: Hier findet der Held die Kraft, um weiterzumachen und den Konflikt zu lösen.

Gegenangriff: Hier greift der Held erneut an und versucht, den Konflikt endgültig zu lösen.

Finale Konfrontation: Hier findet die finale Konfrontation zwischen dem Helden und dem Konflikt statt.

Finale Entscheidung: Hier trifft der Held eine endgültige Entscheidung, wie er den Konflikt lösen wird.

Finale Ausführung: Hier führt der Held seine Entscheidung aus und löst den Konflikt.

Finale Bild: Hier endet die Geschichte mit einem endgültigen Bild des Helden und wie er sich nach dem Konflikt entwickelt hat.

Du siehst, im Prinzip nichts Neues, obwohl es sich auf den ersten Blick komplizierter anfühlen könnte. Aber nicht jede Geschichte verträgt so eine Art der Achterbahn.

Die Schneeflocken-Methode:

Die Schneeflocken-Methode wurde von dem Schriftsteller Randy Ingermanson entwickelt und basiert auf der Idee, zunächst ein einfaches Grundmuster zu erschaffen, dass sich immer weiter entwickelt.

Leider ist sie recht zeitaufwendig und man bekommt viele Gelegenheiten, sich zu verlaufen. Daher solltest du sie zumindest mit dem 3-Akter kombinieren, um auf dem Weg zu bleiben.

Ein Vorteil dieser Methode ist, dass du bis auf den Grund deiner Geschichte eintauchst und du gezwungen bist, dir jeden Aspekt genau anzusehen.

Wichtig: Die nachfolgende Beschreibung entspricht nicht der originalen Übersetzung. Ich habe sie an ein verständlicheres Deutsch angepasst.

Der Prozess besteht aus zehn Schritten:

1. Einen Satz über die Geschichte schreiben: Ein einfacher Satz, der die Geschichte beschreibt. Keine Namen, Orte, kein Geschwafel. Kurz, knackig, auf den Punkt. Z.B.: Teenager reist in die Vergangenheit, um seinen Eltern zu helfen, zueinander zu finden. (Aus „Zurück in die Zukunft I“) Dieser Satz ist außerdem praktisch, um jedem deine Geschichte zu erklären. Mach es dir nicht zu einfach. So einen Satz zu formulieren, ist tricky. Er soll mit wenigen Worten die grobe Handlung beschreiben und aufzeigen, was für deinen Protagonisten auf dem Spiel steht. Bei meinem Beispielsatz ist klar, dass es ungemein wichtig ist, dass dieser Teenager es schafft, seine Eltern zu verkuppeln, um selbst überhaupt geboren zu werden.

2. Aus diesem Satz machst du nun einen Absatz. Beschreibe den Anfang, die Kämpfe/Katastrophen/Niederlagen und den Schluss. Beschränke dich auf einen Absatz, formuliere ihn sorgfältig und lass dir Zeit. Versuche, dich auf fünf Sätze zu beschränken.

3. Jetzt geht um deine Figuren. Nimm dir die Wichtigsten, beachte ihre Eigenarten, Wünsche und Bedürfnisse und (jetzt wird es spannend) lass sie deine Geschichte aus ihrer Sicht erleben. Nur einen groben Überblick. Warum hat der Mörder seine Tat begangen und wie fühlt er sich, seit ihm dein Ermittler auf den Fersen ist? Du wirst deine Figuren durch diesen Schritt besser kennenlernen.

4. Gehe zu Schritt 2 zurück und sieh dir deinen Absatz an. Erweitere jeden Satz aus diesem Absatz zu einem eigenständigen Absatz. Im Idealfall solltest du dann fünf haben, sind es mehr, ist es auch nicht tragisch. Versuche aber, jeden Absatz, in einem Debakel enden zu lassen. So verlierst du den Spannungsbogen nicht aus den Augen. (Außer dem letzten Absatz, mit dem endet ja deine Geschichte.)

5. Und wieder zu deinen Figuren. Jetzt wird es auch bei ihnen ausführlicher. Wie finden sie sich in deiner Geschichte zurecht? Entsprechen ihre Grundvoraussetzungen den Anforderungen? Oder hast du einen gehbehinderten Mörder hundert Treppenstufen hinauf gejagt? Geh diesmal noch tiefer. Was ängstigt deine Figuren, worauf hoffen sie? Was macht ihre Hoffnung zunichte?

6. Zurück zu deinen Absätzen. Erweitere jeden auf eine Seite. Werde immer ausführlicher, detaillierter, was deine Geschichte angeht. Du weißt jetzt, womit du deine Charaktere quälen kannst, was sie unglaubwürdig macht und woran sie verzweifeln werden.

7. Das wird ein Überprüfungsschritt. Gehe wieder zu deinen Figuren und gleiche deine erweiterten Absätze mit ihrer Entwicklung ab. Treibst du die Figuren mit deiner Geschichte in eine andere Richtung? Lernen sie etwas? Ergänze die Eigenschaften der Figuren nötigenfalls. Du bist noch in der Phase, wo du alles relativ leicht ändern kannst, ohne ein ganzes Manuskript umschreiben zu müssen.

8. Jetzt geht es ans Planen. Erstelle dir eine Tabelle. Ich hoffe für dich, dass du das am PC machen kannst und nicht auf Papier angewiesen bist, denn du wirst viel verschieben müssen.

Teile deine Geschichte in einzelne Szenen und schreibe sie in die Zeilen deiner Tabelle.

Wer hat einen Auftritt, um was geht es, wo spielt die Szene? Und wichtig: wie ist die Stimmung? Wenn dein Mörder gerade knapp dem Ermittler entwischt ist, wäre es unlogisch, wenn er direkt danach seine Nähe suchen würde. Mit der Tabelle kannst du gut überprüfen, ob die Handlungen deiner Figuren einem logischen Ablauf folgen.

9. Endlich geht es (fast) ans Schreiben. Nimm dir jede Szene vor und schreibe sie ausführlich.

10.Du hast jetzt alles, was du brauchst. Du weißt, während du an Szene zwei schreibst, wie die Stimmung in Szene fünf sein muss und kannst strikt los schreiben. Du wirst zwischendurch noch Ideen haben, wie man etwas noch raffinierter schreiben kann. Wenn es passt, baue es ein. Wenn nicht, notiere dir die Idee. Vielleicht passt die tolle Szene in den nächsten Roman.